Spezialbericht: Das Kindertheater im Europa-Park
Ob “Pinocchio“, “Die Schöne und das Biest“ oder “Die kleine Meerjungfrau“ –
das Kindertheater im Europa-Park entführt Alt und Jung in fantastische Welten.
Hier werden Geschichten nicht nur erzählt, sondern es wird gesungen, getanzt und gelacht.
Dieses Kindertheater ist Schwerpunkt des nachfolgenden Spezialberichtes.
Das Theater
Das Theater im holländischen Themenbereich, welches einst mit der “Magic Music Show“ die Puppen tanzen ließ, beherbergt seit dem Jahre 2003 das Kindermusical. Es grenzt zur linken Seite an den Verkaufsstand “Ijssalon und Pannekoekenhut“ und die “Mini-Scooter“ sowie zur rechten Seite an die “Batavia-Passagen“ und die Fahrattraktion “Piraten in Batavia“. Im Kindertheater finden täglich zwei bis vier Vorstellungen statt. Die Stücke werden in der Regel zwei Jahre lang aufgeführt, wobei diese Zeitspanne während der Winterwochen durch ein anderes, der Jahreszeit angemessenes, Stück unterbrochen wird.
In den Jahren 2007 und 2008 wird in diesem Theater die Geschichte der kleinen Meerjungfrau Denize* erzählt: Denize lebt unterhalb der Wasseroberfläche und möchte einmal das Ufer betreten, was ihr jedoch seitens ihres Vaters, des Meereskönigs Neptun, verboten wird. Als das Schiff von König Jung kentert, bringt Denize diesen an Land und verliebt sich dort in ihn. Der König verliebt sich ebenfalls, kann sich jedoch lediglich die Stimme seiner Retterin einprägen. Wieder auf dem Meeresgrund, geht die kleine Meerjungfrau mit der listigen Meerhexe Medusa ein Tauschgeschäft ein: Denize überlässt ihre Stimme der Meerhexe und erhält im Gegenzug Menschenbeine. Falls Denize jedoch den König innerhalb dreier Tage nicht zu einer Heirat bewegen kann, wird sie sterben. Medusa geht an Land und nutzt die Stimme der Nixe, um die Gunst des Königs für sich zu gewinnen und eine Hochzeit mit ihm zu arrangieren. Doch Dank der Hilfe ihres treuen Freundes, des Hummers Oscar, erlangt Denize rechtzeitig ihre Stimme zurück und kann nun selbst den König heiraten; die Meerhexe wird zur Strafe für ihre Untaten aus Neptuns Reich verbannt.
*Denize kommt aus dem Türkischen und bedeutet "Wasser".
Außenansicht des Gebäudes
Interview mit den Darstellern
Sehr geehrte Damen und Herren, es freut mich, dass Sie sich die Zeit genommen haben, um über Ihre Arbeit zu berichten. Ich möchte Sie heute sowohl zum Entstehungsprozess der Stücke, welche im Kindertheater aufgeführt werden, als auch zu Ihrem Arbeitsalltag befragen. Zunächst möchte ich auf die Arbeitsschritte eingehen, die erforderlich sind, um ein Stück dem Publikum präsentieren zu können.
Wer ist der Verfasser der Stücke?
Die Stücke werden von Ulrich Grawunder geschrieben und inszeniert.
Nach welchen Kriterien werden die Themen der Musicals ausgewählt?
Es ist wichtig, dass die Stücke nicht nur kindgerecht sind, sondern auch die Erwachsenen ansprechen. Dementsprechend gibt es die Tendenz, die klassischen Märchen hinter sich zu lassen und
Geschichten auszuwählen, welche - unter Anderem als Filmklassiker -
auch über das Vorlesealter hinaus präsent sind, beispielsweise “Die kleine Meerjungfrau“ (2007/2008) und “Pinocchio“ (2005/2006). Selbstverständlich sind bei der Auswahl der Themen auch gewisse spieltechnische Einschränkungen zu beachten: Die Geschichte muss
mit vier Darstellern erzählbar sein – “Schneewittchen und die sieben Zwerge“ wäre also schon aus personellen Gründen nicht aufführbar. Es besteht zwar die Möglichkeit, einzelnen Personen Doppelrollen zuzuweisen, doch bedeutet dies für uns eine Mehrfachbelastung, da wir nicht nur auf der Bühne singen, sondern auch in kurzer Zeit hinter der Bühne die Kostüme wechseln müssen. Zeit ist, allgemein gesprochen, ein wichtiger Faktor, da das jeweilige Musical auf
30 Minuten Dauer beschränkt ist und die Geschichte innerhalb dieses Rahmens erzählbar sein muss. Hierbei ist es nicht ausreichend, lediglich Dialoge und Musik zu kombinieren, sondern das Stück muss eine Einheit bilden, welche
auch für nicht-deutschsprachige Besucher verständlich ist. Darüber hinaus sollte
der auf der Bühne zur Verfügung stehende Platz nicht überschritten werden und das Stück muss die Möglichkeit bieten,
die beiden Puppen links und rechts der Bühne einzubinden.
Wer entwirft die Kostüme? Besteht hierbei seitens der Künstler ein Mitspracherecht?
Die Kostüme werden von der
Bühnen- und Kostümbildnerin Monika Ziefle, in Absprache mit Herrn Grawunder, entworfen und von der parkeigenen Schneiderei gefertigt. Wir, das Ensemble, haben insofern ein Mitspracherecht, dass wir Änderungen an den Kostümen anregen können, falls sie sich in der Spielpraxis als unpraktisch erweisen –
man muss mit den Kostümen tanzen können.
Wann beginnen die Proben für die Sommer- bzw. Wintersaison?
Die eigentlichen Proben beginnen
sieben bis zehn Tage vor der Uraufführung. Auf Grund dieser Tatsache ist es wichtig, dass wir die Stücke zuvor zu Hause in Eigenverantwortung einstudieren, sodass in der Woche vor Saisonstart der Schwerpunkt auf das Zusammenspiel der einzelnen Darsteller sowie die tänzerische Darstellung gelegt werden kann. Während der Saison werden nur dann Proben durchgeführt, wenn Um- oder Zweitbesetzungen erforderlich werden.
Welche Abteilungen sind, neben den bereits Genannten, für das Kindertheater mitverantwortlich?
In der Vorbereitungsphase sorgen Schreinerei, Schlosserei und Malerei für die entsprechenden Kulissen. Auch Licht- und Tontechnik sowie das Sanitär- und Reinigungspersonal sind beteiligt. Während der Spielzeit ist neben den vier Darstellern und deren Zweitbesetzungen auch das Einlasspersonal vor Ort.
Seitenansicht des Theatersaals
Zusammengefasst lässt sich somit sagen, dass von der Idee bis zur Uraufführung viele Arbeitsschritte verschiedenster Abteilungen erforderlich sind. Doch wie gestaltet sich der Arbeitsalltag? Welche Rolle spielen Routine und Improvisationstalent?
Wie sieht ein typischer Arbeitsalltag eines Darstellers im Kindertheater aus?
Zu Beginn des Arbeitstages müssen Körper und Stimme aufgewärmt werden. Darauf folgen das Schminken und das Anziehen der Kostüme. Je nach Besucherandrang besteht der Arbeitstag aus zwei bis vier Aufführungen – hinzu kommt die nachmittägliche Parade. Die Pausen zwischen den Aufführungen verbringen wir in der Regel im Park.
Was ist das Besondere, vielleicht auch Schwierige, in einem Kindertheater zu arbeiten? Was macht den Reiz daran aus?
Bei mehreren hundert Aufführungen im Jahr ist es schwierig,
die eigene Form zu halten. Unabhängig von der eigenen körperlichen Verfassung, den Wetterverhältnissen – welche gerade im Sommer zu einer Herausforderung werden können – und der Fülle des Spielplans müssen wir stets 100 Prozent geben. Man muss voll bei der Sache sein und darf nicht routiniert erscheinen, damit das Stück für die Kinder authentisch wirkt.
Kinder sind ein sehr kritisches Publikum: Einerseits verfolgen sie das Geschehen auf der Bühne sehr aufmerksam, solange es für sie verständlich und interessant gestaltet wird, andererseits sind sie sehr ehrliche Zuschauer, welche es sehr schnell und deutlich zeigen, wenn sie von der Darbietung nicht überzeugt sind. Auf Grund der Lage des Parks im Drei-Länder-Eck kommen durchschnittlich 30-50 Prozent des Publikums aus anderen Ländern und sind der deutschen Sprache nicht immer mächtig. Es hat sich gezeigt, dass gerade diese Zielgruppe sehr positiv auf Gesang und Tanz anspricht, auch dann, wenn sie Text und Handlung nicht oder nur teilweise versteht. Daher ist es, wie eingangs erwähnt, wichtig, dass wir diese Elemente einbinden und durch gezielte Gestik und Mimik die Gefühle der jeweiligen Figur so unterstützen, dass ein Teil der Handlung auch auf nonverbalem Wege vermittelt wird.
Der gezielte Körpereinsatz ist einerseits eine Herausforderung, bietet andererseits aber auch viele Möglichkeiten, den Rollen Leben einzuhauchen. Eng damit verbunden ist die Eigendynamik der Aufführungspraxis, welche einen
Entwicklungsprozess der Stücke zur Folge hat. Somit ergeben sich für uns im Laufe der Monate neue Darstellungs- und Gestaltungsmöglichkeiten, weshalb unsere Arbeit dauerhaft spannend bleibt.
Welche Eigenschaften der Darsteller sind wichtig für den Erfolg des Kindertheaters?
Die Zuschauer zeigen ein gewisses Konsumentenverhalten; sie wollen unterhalten und in andere Welten entführt werden. Um dies zu erreichen, reicht es nicht aus, die vorgegebenen Phrasen standardisiert vorzutragen, denn jedes Publikum ist anders und somit jede Aufführung. Es ist wichtig, dass man eine
Sensibilität für das Publikum entwickelt, denn Pointen, die bei einem Publikum für große Freude sorgen, bleiben bei einem anderen Publikum nahezu unkommentiert. Wir müssen daher
textsicher und gleichzeitig flexibel in der Darbietung sein, um dem jeweiligen Publikum gerecht zu werden.
Für einen großen Teil des Publikums sind Theateraufführungen kein Bestandteil des Alltags – manche Besucher kommen im Europa-Park sogar zum ersten Mal mit dieser Darbietungsform in Berührung. Das Kindermusical stellt daher eine Plattform dar, mit welcher die Masse erreicht und für das Theater sensibilisiert werden kann. Damit sich die Zuschauer ein positives Bild hiervon formen können, ist es von wesentlicher Bedeutung, dass wir
Freude an unserer Arbeit empfinden und diese Freude an das Publikum weitergeben.
Hummer Oscar und die kleine Meerjungfrau Denize
Frau Jasse, Sie arbeiten in dieser Saison erstmalig im Kindertheater des Europa-Parks. Wie haben Sie sich auf Ihre Arbeit und Ihre Rolle vorbereitet?
Ich habe die Textbücher intensiv bearbeitet und versucht, mich in Denize hineinzuversetzen. Es ist mir wichtig, die Rolle nicht so darzustellen, wie Ornella de Santis es in der Vorsaison getan hat – und damit eine Kopie zu schaffen –, sondern die Figur neu zu gestalten und eine individuelle Meerjungfrau zu schaffen.
Viele Besucher möchten nach Ende der Vorstellung ein Feedback geben. Auf welche Weise ist dies möglich?
Ein häufig genutztes Medium ist das Gästebuch, welches im Foyer ausliegt und von uns regelmäßig gesichtet wird. Hier können die Gäste Lob, Kritik und Verbesserungsvorschläge äußern. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, durch einen Brief an die Showabteilung eine Rückmeldung zu geben. Darüber hinaus werden Kommentare in den einschlägigen Foren zur Kenntnis genommen.
Welche Entwicklungen erwarten Sie für die Zukunft? Was wünschen Sie sich?
Es gibt bereits einige Anfragen, ob die Musik des aktuellen Stückes wieder auf CD erhältlich sein wird. In dieser Hinsicht können noch keine definitiven Aussagen getroffen werden, aber im Falle der Veröffentlichung werden die Lieder wieder Teil einer Ausgabe der parkeigenen “Dreams of Music“ – CD sein. Seitdem sich das Theater im holländischen Themenbereich befindet, hat sich das Kindertheater zu einer Show für die ganze Familie entwickelt. Wir freuen uns sehr über diese Entwicklung und wünschen uns, dass auch zukünftig Kinder und Erwachsene gemeinsam die Show besuchen und Freude daran finden.
Meerhexe Medusa und König Jung
Das Gespräch führte Ute Hager. Ein besonderer Dank geht an Christoph Hüllstrung, Isabel Jasse, Carmen Strohecker und Mario Verkerk für ihre Unterstützung!
Die Darsteller
Christoph Hüllstrung
Christoph Hüllstrung absolvierte vor seiner Anstellung im Europa-Park ein Schauspielstudium. Inzwischen arbeitet er seit sieben Spielzeiten im Kindertheater. In “Die kleine Meerjungfrau“ sucht Christoph Hüllstrung in der Rolle des König Jung nach seiner Retterin.
Isabel Jasse
Isabel Jasse hatte nach ihrer Musicalausbildung als Sängerin und als Darstellerin in anderen Kindertheatern gearbeitet. So war sie z. Bsp. auf der Deutschlandtour des Musicals “Prinzessin Lillifee“ unter Anderem in der Titelrolle zu sehen gewesen, bevor sie zu Beginn der aktuellen Saison in das Kindertheater des Europa-Parks wechselte. Isabel Jasse verkörpert die Hauptrolle, die kleine Meerjungfrau Denize.
Carmen Strohecker
Carmen Strohecker wirkte nach ihrem Schauspielstudium und vor ihrer Anstellung im Europa-Park in Musicals und kleineren TV-Produktionen mit. Seit acht Spielzeiten ist Carmen Strohecker Teil des Ensembles und verzaubert derzeit, als Meerhexe Medusa, Meerjungfrau und Zuschauer.
Mario Verkerk
Mario Verkerk ist hauptberuflich Musical- und Operettensänger. Zudem arbeitet er als Zweitbesetzung für die männlichen Rollen: der verliebte König Jung und der treue Hummer Oscar. Die aktuelle ist Herrn Verkerks dritte Spielzeit im Europa-Park.
Das Ensemble auf einen Blick
hintere Reihe: Mario Verkerk, der Tontechniker Raimund Mai
vordere Reihe: Isabel Jasse, Carmen Strohecker, Christoph Hüllstrung
Impressionen aus dem Kindertheater
Der Eingangsbereich
Detailaufnahme im Theatersaal
Der Delfin Sebastian
König Neptun
Meerhexe Medusa
Die kleine Meerjungfrau Denize
Fahnen an der Außenfassade werben für das aktuelle Stück.
Fazit: Das Kindermusical besticht durch die liebevoll gestaltete Umsetzung des Themas und den großen persönlichen Einsatz der Darsteller. Freuen wir uns auf weitere Produktionen und lassen uns auch künftig von den Darbietungen im Theater im holländischen Themenbereich verzaubern.
Text: Ute Hager
Bilder: Ute Hager (Räumlichkeiten, Gruppenfoto), Keven Heil (Show)
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